Glucosamin

Viele Menschen mit Knieproblemen und anderen Gelenkschmerzen greifen zu Nahrungsergänzungen mit Glucosamin. Der körpereigene Aminozucker steckt im Binde- und Knorpelgewebe sowie in der Gelenkflüssigkeit und steht im Ruf, schmerzhafte Abnutzungserscheinungen in den Gelenken – die gefürchtete Arthrose – zu heilen, entzündungshemmend zu wirken und das Knorpelgewebe vor Schäden zu schützen. Zwar gibt es dafür bislang keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege, weshalb entsprechende Glucosaminsulfat Präparate – sogenannte Chondroprotektiva – auch nicht als gelenkheilend beworben werden dürfen.

In der Alternativmedizin spielen sie dennoch eine gewaltige Rolle. Anhänger alternativer Heilverfahren schwören auf die Kombination aus Glucosamin und Chrondroitin, das im Körper zu Glucosamin umgewandelt wird. 1,8 Milliarden US-Dollar werden jährlich weltweit mit Chondroprotektiva umgesetzt. Kein Wunder: Die Schulmedizin kennt bislang keine wirksamen Medikamente, die gegen Arthrose – beziehungsweise Osteoarthritis, wie das Krankheitsbild in der Wissenschaft bezeichnet wird – helfen. Und weil das Makromolekül Chondroitinsulfat die Widerstandsfähigkeit des Knorpels stärkt und Glucosamin ein wichtiger Baustein des Knorpelgewebes ist, könnte es Linderung verschaffen. Das ist die Hoffnung bei Betroffenen natürlich groß. Erfolgsmeldungen gibt es zuhauf – was also ist dran, am vermeintlichen Wundermittel Glucosamin?

Geschichte des D-Glucosamin-Hydrochlorid

Der deutsche Chirurg Dr. Georg Ledderhose entdeckte die Stoffgruppe der Aminozucker 1875 im Rahmen einer Forschungsarbeit. Dabei kochte er Scheren und Schale eines frisch verzehrten Hummers in Salzsäure ein und entdeckte daran winzige Kristalle – D-Glucosamin-Hydrochlorid, kurz: Glucosamin. Es dauerte noch weitere 18 Jahre, bevor es den beiden deutschen Chemikern Hermann Emil Fischer und Friedrich Hermann Leuchs erstmals gelang, Glucosamin zu synthetisieren, also selbst herzustellen.

Vorkommen und Dosierung

Der Panzer von Hummern und anderen Schalentieren besteht aus dem extrem robusten Chitin, einer Art Kunststoff aus der Natur, der sich aus Mehrfachzuckern zusammensetzt. Damit die Panzer nicht bei jedem kleinsten Aufprall zerbrechen, benötigt ihr Chitin-Material eine gewisse Elastizität und die bekommt es vom Glucosamin, das in großen Mengen darin vorhanden ist. Inzwischen sind Schalen und Panzer von Krabben, Garnelen und Krebseneinst Abfallprodukte der Fischereiindustrie – deshalb begehrte Rohstoffe für die Glucosamin-Gewinnung. Sie werden gereinigt und mithilfe chemischer Verfahren aufgespalten, bis nur noch der Grundstoff des Chitins, das Glucosamin übrigbleibt.

Eine weitere Glucosamin-Quelle sind Pilze, genauer gesagt der Schwarze Gießkannenschimmel (Aspergillus niger). Dieser ungiftige Pilz ist einerseits für Vegetarier und Veganer, aber auch für Menschen mit einer Allergie gegen Krustentiere eine tolle Alternative.

Davon abgesehen ist Glucosamin in natürlichen Lebensmitteln gar nicht oder nur in äußerst geringen Mengen enthalten. Das hat auch mit unserem heutigen Speiseplan zu tun. War es bei unseren Vorfahren noch üblich, auch Knorpel und Teile des Bindegewebes zu verzehren, so tun wir dies heute (fast) nicht mehr, weshalb eine Glucosamin-Supplementierung mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln auch für Menschen sinnvoll sein kann, die sich ansonsten gesund und ausgewogen ernähren. Experten raten zu einer Dosis von 1.500 Milligramm täglich über mehrere Monate hinweg, um akute Beschwerden zu behandeln, aber Vorsicht: Kritiker bezeichnen bereits Dosen ab 400 Milligramm am Tag als bedenklich, weil Glucosamin vor allem in Kombination mit der Einnahme von Blutgerinnungshemmern zu teils starken Nebenwirkungen führen kann.

Generell gilt: Die Einnahme von Glucosamin sollte in jedem Fall vorher mit einem Arzt besprochen werden!

Wirkung von Glucosamin beim Menschen

Glucosamin ist eine körpereigene Substanz, die den Grundbaustein verschiedener Knorpelbestandteile bildet. Mehrere Berichte schreiben ihm schmerzlindernde, entzündungshemmende sowie knorpelschützende und -aufbauende Wirkung zu. Es soll die Schmerzen einer Arthrose ganz ohne die starken Nebenwirkungen von Schmerztabletten lindern und ihre Symptome gar verschwinden lassen. Dies ist jedoch – zumindest in der Schulmedizin – heftig umstritten, weil trotz umfassender Untersuchungen stichhaltige Belege dafür fehlen und noch kein Wirkmechanismus, der diese positiven Effekte verursachen könnte, entdeckt wurde. Es gibt jedoch einige wenige Studien, die Schmerzpatienten hoffen lassen.

Im Rahmen einer 2001 im Fachblatt „Lancet“ veröffentlichten Studie des Medizinprofessors Jean Yves Reginster wurden 100 Probanden mit Kniearthrose drei Jahre lang täglich 1,5 Gramm Glucosamin-Sulfat verabreicht, weitere 100 Probanden erhielten ein Placebo. Im Studienzeitraum klagte die Kontrollgruppe über fortschreitende Beschwerden, während die Testgruppe, die das Glucosamin erhielt, eine Verbesserung ihres Zustands verzeichnete. Röntgenbilder belegten dies. Während sich bei der Placebo-Gruppe die Gelenkspalt des Knies durch Verschleiß des Knorpelgewebes vergrößerte, blieb eine solche Vergrößerung bei der Testgruppe aus. Die Arthrose der Testgruppe konnte also zwar nicht geheilt, zumindest aber aufgehalten werden. Gegner der Studie kritisieren jedoch, dass diese in Teilen von einem Hersteller von Glucosamin-Präparaten finanziert wurde. Der tschechische Forscher Karel Pavelka erzielte mit einer ganz ähnlich aufgebauten Studie allerdings dieselben Ergebnisse.

Eine 2012 im „Scientific World Journal” veröffentlichte Studie belegte, dass die Einnahme von Glucosamin bei leichter bis mittelstarker Arthrose zu einer verbesserten Beweglichkeit des Gelenks und einer Linderung von Schmerzen führte, vor allem wenn sie mit der Einnahme von Entzündungshemmern kombiniert wurde.

Kritik an Glucosamin

Die Wirksamkeit von Glucosamin wurde also in mehreren klinischen Untersuchungen belegt, es existieren allerdings mindestens genauso viele Studien, die diese Wirksamkeit widerlegen und ebenfalls in renommierten Fachzeitschriften publiziert wurden. In manchen Tests schnitten Placebos gar besser ab, als die getesteten Glucosamin-Präparate. Hauptkritikpunkt vieler Experten: Der Gelenkknorpel könne sich als einziger menschlicher Knorpel überhaupt nicht selbst regenerieren, auch dann nicht, wenn man ihm seine „Bausteine“ extern zuführt.

Das Bundesamt für Risikobewertung warnt zudem vor zu hohen Dosen isolierten Glucosamins. Schon 390 bis 790 Milligramm am Tag könnten bei gleichzeitiger Einnahme von Blutgerinnungshemmern zu Einblutungen und gar Hirnblutungen führen, so die Behörde. Weil vor allem bei billigen Präparaten aus dem Ausland nicht immer klar deklariert ist, aus welchen Quellen das Glucosamin stammt, drohen Allergikern außerdem anaphylaktische Schocks. Verbraucherschützer setzen sich deshalb für eine deutliche Kennzeichnungsflicht der Hersteller sowie für Obergrenzen der Dosierung von Glucosaminsulfat Produkten ein.

Alternativen zu Glucosamin

Die Schulmedizin hält für Arthrosepatienten leider kaum Lösungen bereit. Mithilfe von Kortisoninjektionen lassen sich Schmerzen für einige Zeit lindern, eine Dauerlösung ist dies aufgrund der massiven Nebenwirkungen allerdings nicht, da Arthrose auf lange Sicht unter anderem die Knochen schwächt. Auch andere Schmerzmittel und Entzündungshemmer dürfen nur vorübergehend und bei besonders akuten Schmerzen eingenommen werden. Therapien zum Knorpelaufbau gibt es – stand jetzt – noch keine. Erste Versuche mit Hyaluronsäure-Injektionen lassen hoffen, ihre Wirksamkeit wurde wissenschaftlich jedoch noch nicht belegt.

Mediziner raten statt Glucosamin-Supplementen oder Radikalbehandlungen mit Kortison zu einer fleischarmen Ernährung mit viel Fisch und pflanzlichen Ölen. Grund: Die darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend. Tierische Fette aus Fleisch und Wurst führen dagegen zur Bildung von Arachnidonsäure, die wiederum Entzündungen fördert. Obst, Gemüse und Kräuter enthalten außerdem viele Antioxidantien, die ebenfalls stark entzündungshemmend wirken. In der Naturheilkunde gibt es zudem eine Reihe von Therapieverfahren, die erfolgversprechender als die Einnahme von isoliertem Glucosamin sein sollen, darunter:

  • Blutegel: Die Wirksamkeit von Therapieverfahren mit Blutegeln ist wissenschaftlich umfassend dokumentiert. Die Egel saugen bei der Behandlung nicht nur Blut, sondern geben auch Speichel ab, der über 100 entzündungshemmende, gerinnungshemmende und schmerzstillende Substanzen enthält.
  • Gewürze: Gewürzmischungen aus Kreuzkümmel, Koriander und Muskat (zu gleichen Teilen) sollen die Durchblutung der Gelenkschleimhaut verbessern und so Gelenkschmerzen lindern. In Untersuchungen gaben 80 Prozent der Betroffenen an, dass sie ihre Schmerzen damit lindern und die Einnahme von Schmerzmitteln reduzieren konnten. Dazu nahmen sie zwei Messerspitzen täglich mit etwas Wasser oder Joghurt ein.
  • Kieselsäure: Das in Kieselsäure enthaltene Silizium besitzt knorpelstabilisierende Wirkung. Gute Quellen sind Hafer, Gerste, Hirse und Naturreis, aber auch Brennnesseltee und Topinambur.
  • Weihrauchkapseln: Weihrauch wird in der ayurvedischen Medizin zur Linderung von Entzündungen und Schmerzen eingesetzt. Konzentriertes Weihrauchextrakt in Kapselform kann deshalb unter anderem auch bei Arthrose helfen.

Ebenso wichtig wie eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung ist für Arthrosepatienten ausreichend Bewegung. Gezielte Bewegungstherapie kann für langjährige Arthrosepatienten Linderung schaffen und für mehr Beweglichkeit sorgen. Grund: Ein bedeutender Teil der Schmerzen entsteht nicht im Gelenk, sondern im umgebenden Gewebe. Denn häufig sind Verspannungen und eine verkürzte Muskulatur aufgrund von Bewegungsarmut und einer schmerzbedingten Schonhaltung die Auslöser noch stärkerer Schmerzen. Auch Dehnübungen und Akupressur können hier helfen. Ergänzend können auch warme Bäder und eine Gewichtsreduktion helfen, Gelenkschmerzen abzumildern.

Glucosaminsulfat als Nahrungsergänzungsmittel

Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosaminsulfat gibt es viele, überwiegend in Kapselform oder als Sulfatlösung. Oft wird die Wirkstoffkombination Glucosamin und Chrondroitin angeboten. Wichtig ist, zu hochwertigen, am besten in Deutschland hergestellten Produkten renommierter Anbieter zu greifen.

Achtung: Generell sollte vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit dem Hausarzt Rücksprache gehalten werden! Bei Glucosamin-Produkten gilt dies insbesondere für Menschen, die Blutgerinnungshemmer einnehmen, da diese in Kombination mit Glucosamin-Präparaten zu Hirnblutungen führen können.

Fazit

In moderaten Mengen eingenommen, schaden Glucosamin und seine Vorstufe, das Chondroitin, nicht. Eine Wirksamkeit bei Gelenkschmerzen und Arthrose ist bei beiden Stoffen jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Neuere Studien scheinen zumindest eine teilweise Wirkung hinsichtlich verminderter Entzündungen und Schmerzen und einer besseren Beweglichkeit zu bestätigen, hier fehlen jedoch noch weitere, größere Untersuchungen renommierter Institute. Dennoch schwärmen viele langjährige Arthrose-Patienten von den Erfolgen, die sie mit Glucosamin-Supplementen erzielt haben – allen voran Biohacking-Guru Dave Asprey. Ob dies nur am Placebo-Effekt liegt oder Glucosamin bei Kniearthrose tatsächlich wirkt, kann aktuell nicht abschließend geklärt werden. Wer Vertrauen in den Aminozucker hat und entsprechende Präparate einmal ausprobieren möchte, kann dies bedenkenlos tun, sollte aber in jedem Fall zu hochwertigen und in Deutschland hergestellten Produkten greifen.

Kurz zusammengefasst

  • Glucosamin ist ein Aminozucker, der vom Körper hergestellt wird und dem Erhalt von Knorpelstrukturen dient. Er befindet sich im Knorpel- und Bindegewebe sowie in der Gelenkflüssigkeit.
  • Glucosamin-Präparate gehören zu den meistverkaufen Nahrungsergänzungen weltweit, da ihnen eine schmerzlindernde und gar gelenkheilende Wirkung nachgesagt wird.
  • Wissenschaftliche Belege gibt es für eine solche Wirkung allerdings nicht, weshalb Glucosamin-Produkte auch nicht entsprechend beworben werden dürfen.
  • Glucosamin wird überwiegend aus den Schalen und Panzern von Krustentieren sowie aus bestimmten Pilzarten gewonnen. In natürlichen Lebensmitteln kommt der Stoff kaum vor.
  • Vereinzelte Studien und zahllose persönliche Erfolgsgeschichten deuten auf eine erfolgreiche Arthrosetherapie mithilfe von Glucosamin hin. Kritiker entgegnen, dass sich der menschliche Gelenkknorpel nicht regenerieren kann, entsprechende Präparate also gar nicht helfen können.
  • Hoffnung besteht dagegen für eine schonende Behandlung von Schmerzen und Entzündungen bei Gelenkarthrose, da konventionelle Medikamente, wie Kortison und Schmerzmittel, nur über einen begrenzten Zeitraum hinweg eingenommen werden dürfen und massive Nebenwirkungen mit sich bringen. Hierzu müssen noch weitere Studien durchgeführt werden
  • Alternative Therapieformen, beispielsweise mit Blutegeln, Weihrauchkapseln, Gewürzmischungen, Kieselsäure, Bewegung und warmen Bädern, gilt unter Experten aktuell als sinnvollere Behandlungsmethode bei Arthrose als die Einnahme von Glucosamin.
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